Unternehmens-Booster Enterprise Applications
25. September 2023 / Thomas Kühnel, Co-CTO
Der Digitalisierungsgrad in Unternehmen steigt. Dabei werden die technischen Anforderungen, die Systeme erfüllen müssen, zunehmend komplexer. Viele Unternehmen messen maßgeschneiderten »Enterprise Applications« eine große Bedeutung in ihren Wachstumsplänen bei. Laut einer Studie sehen 74 % der befragten Unternehmen Individualsoftware als erfolgstreibenden Faktor. Doch was verbirgt sich hinter dem Begriff Enterprise Application, warum steigt der Bedarf an Individualentwicklung und was können Standardlösungen leisten?
Grundsätzlich versteht man unter Enterprise Applications alle Applikationen, die den laufenden Geschäftsbetrieb eines Unternehmens gewährleisten. Dabei ist die Spanne denkbar breit: Von internen Prozessen wie Buchhaltung oder Personalsteuerung über Warenwirtschaftsplanung (ERP) oder Daten-Management bis hin zu umfassenden E-Commerce-Plattformen im Vertrieb. Jedes Unternehmen, also eine Enterprise, ist eine Art Vorhaben. Enterprise Applications sind also alle Applikationen, die dieses Vorhaben unterstützen.
Enterprise Applications spielen gerade bei der Automatisierung von Business-Prozessen eine bedeutende Rolle, wodurch sie die technologische Weiterentwicklung von Unternehmen maßgeblich beeinflussen. Ein klassisches Beispiel: Angestellte sollen nicht mehr mühsam Daten in Excel-Sheets pflegen und händisch in unterschiedliche Systeme übertragen. Vielmehr sollen die Systeme Daten automatisiert untereinander austauschen, beispielsweise indem Änderungen von Kundendaten aus dem CRM direkt in das ERP fließen.
Das spart nicht nur Arbeitszeit und Kosten, sondern ermöglicht durch effizientere Nutzung neue Gewinnzonen mit viel Potenzial. Auf Baustellen zum Beispiel: Handwerker bekommen ein Mobilgerät mit einer Bestell-Software zur Hand, mit der sie Material nachbestellen und festlegen können, was sie wann auf der Baustelle haben möchten. Daraufhin regelt die Software die internen Bestellprozesse dahinter und am Tag X kommen die Materialien zur richtigen Zeit an die richtige Adresse. So kann auf der Baustelle effizient gearbeitet werden. Zudem wird auch noch Lagerfläche gespart, gerade in Innenstädten ein wichtiges Thema.
Genau diese Art von Automatisierungsmöglichkeiten zu entfalten und zu perfektionieren, sollte das Ziel von jedem Unternehmen sein. Denn am heutigen Markt setzt man sich nicht mehr allein durch sein Sortiment ab, Service und die effiziente Nutzung von Ressourcen spielen eine immer wichtigere Rolle.
Mehr Flexibilität in Systemlandschaften
Unternehmen, die diese Potenziale vermehrt abrufen wollen, können für ihre IT-Landschaft entweder bestehende Standard-Lösungen oder Individual-Lösungen verwenden. Von den initial meist höheren Investitionskosten für individuell geschriebene Software abgeschreckt, greifen Unternehmen häufig zu bestehenden Lösungen. Wenn man ein Standardproblem hat, dann ist sicherlich eine Standardlösung auch das Richtige. Allerdings hat jedes Unternehmen unterschiedliche Anforderungen, Märkte und Problemstellungen. Und es gilt schließlich, sich vom Wettbewerb abzuheben. Dabei hilft Standard meist nur kurz- bis mittelfristig – und mit erheblichen Einschränkungen.
Zudem haben Unternehmen oft bereits viele verschiedene Enterprise-Application-Lösungen in ihren einzelnen Geschäftsbereichen im Einsatz. Ziel einer ganzheitlichen Digitalisierungsstrategie ist aber die Kombination und Automatisierung der einzelnen Komponenten untereinander sowie das Aufbrechen von Digital-Silos. Die ganzen unterschiedlichen Standalone-Lösungen müssen, um wirkliche Automatisierung voranzutreiben, miteinander kommunizieren. Da ergibt es oft Sinn, in der Mitte ein System zu integrieren, das als Mediator fungiert. Dafür gibt es in den meisten Fällen gar keine Software von der Stange. Will man das wirklich professionell ausschöpfen, kommt man eigentlich um eine speziell für den eigenen Anwendungsfall angefertigte Lösung nicht herum.
Durch seine flexible Software-Architektur ermöglichen solche Custom-Lösungen zudem langfristig weniger Adaptionskosten. Mit einfach anzupassenden Schnittstellen lassen sich einzelne Komponenten leichter austauschen. Ein Unternehmen setzt beispielsweise auf Pixi als ERP-Lösung, erkennt dann aber nach zwei Jahren, dass es mehr Funktionalitäten benötigt und will stattdessen auf Microsoft Dynamics umsteigen. Dann müssen alle anderen Systeme, die damit verknüpft wurden, ebenfalls neu integriert werden. Bei bestehenden Systemen, die händisch verzahnt wurden, kann das eine Menge Arbeit sein. Eine flexible Struktur hingegen vereinfacht das Austauschen erheblich.
Anpassung von Standard-Software bedeutet viel Mehraufwand
Auf der anderen Seite hat große Standard-Software, beispielsweise ein ERP-System wie SAP, durchaus die Fähigkeit, an die Anforderungen der Unternehmen angepasst zu werden. Das benötigt jedoch erhebliche Programmierarbeit und birgt einige Stolpersteine. Ein SAP lässt sich nur in Grenzen verbiegen. Wenn die Software zu stark von ihrer eigentlichen Aufgabe abgeändert wird, ist sie am Ende eventuell gar nicht mehr updatefähig. Neue Features sind nicht mehr kompatibel durch die vielen Änderungen, die vorgenommen wurden. Enterprise Applications entfalten ihre Stärke vor allem in den Aufgabenbereichen, für die sie auch entwickelt wurden.
Statt eine große Software zu nehmen, setzen Unternehmen deshalb oft auf einen “Best-of-Breed”-Ansatz. Sie implementieren die jeweils “beste” Softwarelösung für die jeweiligen Aufgabenbereiche. Um mehr Potenzial zu entfalten, müssen die jeweiligen System jedoch verknüpft werden. Durch provisorische, nachträgliche Verzahnungen der Komponenten kann es passieren, dass keine Sicherheitsrelevanten oder Feature-Updates mehr durchgeführt werden können. Enterprise Applications mit entsprechend flexiblen Schnittstellen, die in eine modulare Struktur eingebettet werden, lassen sich hingegen einfacher updaten. Dies bedeutet auf der anderen Seite aber wiederum mehr Komplexität und mehr Wartungsarbeiten.
Mit zunehmender Digitalisierung werden die Anforderungen an diese Systeme jedoch immer komplexer. So müssen verschiedene Aspekte beim Aufsetzen der Systemarchitektur beachtet werden. Standardlösungen sind häufig günstiger und entfalten in ihrem konkreten Anwendungsfall ihre Stärken. Mit einem Best-of-Breed-Ansatz können Unternehmen viele verschiedene Standardlösungen für verschiedene Aufgabenbereiche einsetzen.
Um die verschiedenen Lösungen dann aber gewinnbringend zu verknüpfen, ohne dass ein Code-Wirrwarr entsteht, braucht es maßgeschneiderte Enterprise-Applications, die als Mediator in der Mitte der Architektur agieren. Diese individuell entwickelten Lösungen sind in der Anschaffung teurer, können jedoch auf die spezifischen Bedürfnisse eines Unternehmens zugeschnitten werden und bieten langfristig mehr Flexibilität und Anpassungsfähigkeit. Unternehmen müssen hier abwägen, inwieweit Standardsoftware ihren Anforderungen genügt oder ob eine maßgeschneiderte Lösung langfristig kosteneffizienter ist. Die Wahl hängt vom konkreten Anwendungsfall, den vorhandenen Systemen und den langfristigen Zielen des Unternehmens ab.
Thomas Kühnel
Co-CTO
thomas.kühnel@turbinekreuzberg.com