Schlanke Digitalisierung: Wie das Customer Portal den Wandel der Organisation antreibt

24. August, 2020 / Sarah Hoidn

 

»Kundenzentrierung«, sprich die Kundenbedürfnisse als Ausgangspunkt für sämtliche Geschäftsentscheidungen zu nehmen, ist heutzutage unverhandelbar – ganz gleich in welcher Branche. Trotzdem bleibt gerade im B2B noch viel zu viel Potenzial auf der Strecke. Ein starker Impuls geht aktuell von dem Aufbau kundenorientierter Service-Portale aus. Sie versprechen einen niederschwelligen Einstieg in digitale Prozesse, ohne gleich in den digitalen Handel einzutauchen. Modulare Frameworks und Microservices machen den sukzessiven Ausbau möglich.

 

Der Transformationsdruck in der verarbeitenden Industrie ist immens. Maßgeblicher Treiber ist die sich verändernde Erwartungshaltung von Geschäftskund:innen, besonders in beratungsintensiven Branchen wie Chemie, Metall oder Elektronik. War früher der persönliche Kontakt zum Außendienst maßgeblich, so wollen sich Kund:innen heute eigenständig online informieren, erwarten digitale Services wie Rund-um-die-Uhr-Support oder möchten direkt Produkte bestellen können – Stichwort: Self-Service. Dinge, die aus dem B2C nicht mehr wegzudenken sind, werden auch im B2B immer mehr zum Hygienefaktor statt Differenzierungsmerkmal.

 

Schluss mit der Produktzentrierung

 

Darauf haben viele B2B-Unternehmen mit Strategien reagiert, bei denen es sich im Kern um E-Commerce-Ansätze handelt. Hersteller wie Händler investieren stark in die Entwicklung von Online-Shops, Marktplätzen oder Handelsplattformen – Projekte, die Digitalagenturen wie wir natürlich begrüßen, die aber gleichzeitig langwierig und komplex sind. Längst kann der Fokus nicht mehr allein darauf liegen, Kund:innen das jeweils passende Produkt zu verkaufen. Das Ziel sollte es sein, die gesamte Erfahrung der Kund:innen mit digitalen Mitteln zu verbessern. Es gilt, durch After-Sales-Services und Support echte Mehrwerte zu generieren, etwa Zeitersparnis, direkte Kontaktmöglichkeiten oder größere Transparenz.

Kurz: den Kontakt nicht nur aufrechterhalten, sondern intensivieren.

 

 

Moderne Technologien bedeuten leichteren, flexibleren Start

 

Hier kommen Kunden- oder Service-Portale ins Spiel. Für sich genommen ist daran nichts Neues: Eine gute Customer Experience bedeutet schließlich immer schon mehr als Kauf und Verkauf. Mit digitalen Services lässt sich die Experience der Kund:innen aber verlängern. Bestehende Kund:innen können über digitale Service-Portale etwa effizienter in Support-Fällen betreut werden, ihre Stammdaten und Bestellhistorie einsehen und selbst verwalten oder Informationen abrufen, die ihnen in ihrer jeweiligen Situation wirklich weiterhelfen. Unternehmen, die ihren B2B-Vertrieb noch nicht digital aufgestellt haben, sollten also bei ihren bestehenden Kund:innen anfangen und schrittweise vorgehen.

 

Dafür werden Customer Portals gerade jetzt zum idealen Startpunkt, weil moderne Technologien eine sukzessiven Weiterentwicklung möglich machen. Bis vor wenigen Jahren mussten Commerce Systeme immer im Ganzen implementiert werden – oder es waren große Anstrengungen nötig, um einzelne Funktionalitäten aus ihnen herauszulösen. Spezielle Software-Lösungen für Kundenportale sind wiederum nicht für den Ausbau hin zum E-Commerce gedacht. Die Folge in jedem Fall: hohe Projekt- und Zeitaufwände.

 

Moderne Software-Produkte, wie etwa Spryker oder Commercetools, funktionieren nach dem Baukastenprinzip. Sie sind modular; einzelne Funktionalitäten können unabhängig voneinander implementiert werden. Dadurch lassen sich zuerst Services implementieren, die Bestandskund:innen Mehrwerte bieten – etwa Stammdaten- oder Auftragsmanagement. Der Umfang kann Schritt für Schritt erweitert werden. Das bedeutet einerseits weniger Entwicklungsaufwand, wenn man mit nur einzelnen Modulen startet. Auf der anderen Seite schafft es ein Mehr an Flexibilität. Dem Ausbau hin zum digitalen Commerce steht nichts im Weg.

 

Branchenübergreifende Digitalisierung der Kund:innenbeziehung

 

Kuka macht vor, wie es geht. Der Robotikhersteller gab jüngst bekannt, mit dem neuen Kundenportal my.KUKA Systempartner:innen, Kund:innen und Interessent:innen eine zentrale Anlaufstelle zu bieten. Dort werden Produktinformationen, Support und eine Wissensdatenbank gebündelt. Sukzessive würden Bestellfunktionen über einen Marktplatz und die Konfiguration von Produkten ausgebaut. Ein Treiber ist unter anderem auch die COVID-19 Pandemie, in deren Folge sich die Kundeninteraktion verstärkt ins Digitale verlagert. So sei aktuell bei Kuka auf Kunden- und auf Mitarbeiterseite die Motivation hoch, sich mit digitalen Angeboten zu beschäftigen.

 

Ähnliche Pläne werden auch in anderen Branchen verfolgt: Der Druckfarben- und Verpackungsspezialist Siegwerk testet zur Zeit unterschiedliche Mittel zur digitalen Kundenbindung mit dem Ziel, Fachwissen zugänglich zu machen, effizientere Prozesse zu etablieren und die ausbleibenden Industriemessen zu ersetzen. In der Schweiz baut der Kunststoffhersteller Meraxis sein eigenes Kundenportal bereits zu einem »360-Grad System« aus, das sogar automatisierte Bestellung ermöglicht.

 

Kund:innen und interne Teams entwickeln sich entlang des Portals

 

Die Vorteile solcher Projekte sprechen für sich. Startet man mit einem Kundenportal, dann heißt das zunächst: die Projektkomplexität sinkt. Es fallen weniger Integrations- und Entwicklungsaufwände für die Anbindung von Drittsystemen und die Modellierung von Prozessen an.

 

Zudem lässt sich damit auf den ersten Blick nahezu Unmögliches bewerkstelligen: Kund:innen und die eigenen Teams können gleichzeitig auf (neue) digitale Prozesse umsteigen. Wer das Bedürfnis von Kund:innen nach Beratung oder Support mit neuen digitalen Prozessen stillt, bringt im selben Schritt auch die eigenen Fachabteilungen an den Start, wie etwa Auftragsmanagement, das Produktdaten-Team oder den Customer Service. Kund:innen und Mitarbeitende können mit dem Portal wachsen; sich entlang der Evolution der Plattform entwickeln.

 

Auch der Außendienst, der seine Existenz häufig durch digitale Vertriebskanäle bedroht sieht, lässt sich leichter durch den Mehrwert für Kund:innen und die eigene Arbeitserleichterung durch die Automatisierung von Standardprozessen überzeugen. So treibt der kontinuierliche Ausbau der Service-Plattform den Veränderungsprozess der gesamten Organisation voran.

 

Daten, Daten, Daten

 

Noch so eine Weisheit: Wer die eigenen Kund:innen kennt, ist klar im Vorteil. Kundenportale sind ein gutes Werkzeug, um das Verhalten der User zu beobachten und Daten zu sammeln. Man lernt zum Beispiel, welche Services sie besonders oft in Anspruch nehmen und welche Informationen sie häufig abrufen. Darüber lässt sich direktes Feedback einholen, was in die stetige Weiterentwicklung des Angebots einfließen kann.

 

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Sarah Hoidn, Senior Consultant
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