Unlocking Access: Welche Auswirkungen hat der European Accessibility Act?

23. Oktober 2024 / Alice Tatang Widjaja

Im Juni nächsten Jahres tritt der European Accessibility Act (EAA) in Kraft. Unternehmen müssen ihre IT-Strukturen anpassen, um die Einhaltung der neuen Vorschriften zu gewährleisten.

Doch was ist der EAA überhaupt?
Der EAA ist ein von der Europäischen Union verabschiedetes Gesetz, das die Zugänglichkeit von Produkten und digitalen Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen verbessern soll. Der Gesetzesentwurf wurde bereits 2019 verabschiedet und enthält Anforderungen, die sicherstellen, dass eine breite Palette von Produkten und digitalen Dienstleistungen für Menschen mit Beeinträchtigungen in der gesamten EU zugänglich ist. Das bereits bestehende Gesetz über die Zugänglichkeit staatlicher Einrichtungen wird durch den EAA erweitert: Die neuen Vorschriften gelten nun auch für den privaten Sektor.

Die Uhr tickt: Ab dem 28. Juni 2025 müssen digitale Dienstleistungen und Produkte des täglichen Lebens wie Websites, Online-Shops, Produktverpackungen, Geldautomaten, Smartphones uvm. für jedermann zugänglich gemacht werden.

Sämtliche Produkte oder Dienstleistungen, die nach diesem Stichtag auf den Markt kommen, müssen diesen Änderungen entsprechen. Je nach Land werden jedoch unterschiedliche Behörden für die Überwachung der Einhaltung des EAA zuständig sein.

Wer ist von dem EAA betroffen?
Verbraucher:innen, Unternehmen, Hersteller, Dienstleister und Institutionen - kurz gesagt, praktisch jede:r, die:der in der EU Geschäfte macht. Für Unternehmen legt der EAA Zugänglichkeitsstandards für jedes Unternehmen fest, das sich mit bestimmten Produkt- und/oder Dienstleistungsbereichen befasst, darunter Online-Händler:innen, Telekommunikationsunternehmen oder Bankdienstleister. Der EAA verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten, die Einhaltung der Standards regelmäßig zu überprüfen und Beschwerden von Verbrauchern:innen nachzugehen.

In Deutschland wird der EAA durch das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) geregelt. Jedes Bundesland ist für die Einhaltung selbst zuständig. Stichproben und Audits werden Teil der regelmäßigen Arbeitsschutz-Kontrollen. Kleinere Unternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten oder mit einem Jahresumsatz von weniger als 2 Millionen € sind von der Regelung ausgenommen, werden aber dennoch ermutigt, ihr trotzdem zu folgen.

Wie wirkt sich der EAA auf die Unternehmen aus?
Unternehmen, die in Europa wirtschaften, müssen ihre Produkte und Dienstleistungen mit barrierefreien Funktionen aktualisieren, bevor der EAA in Kraft tritt. Ab dem 28. Juni 2025 können sich Verbraucher:innen bei den nationalen Behörden beschweren, wenn Dienstleistungen oder Produkte nicht den neuen Vorschriften entsprechen. Die Missachtung des EAA kann Sanktionen nach sich ziehen, darunter amtliche Verwarnungen, Geldstrafen, Rücknahme von Produkten oder Verbote.

Die Sanktionen sollen in einem angemessenen Verhältnis zur Art und Schwere des Verstoßes stehen. Das bedeutet, dass geringfügige Verstöße mildere Strafen nach sich ziehen können, während schwerere oder wiederholte Verstöße härtere Strafen nach sich ziehen.

Welche Auswirkungen hat der EAA auf die E-Commerce- Branche?
In der EU tätige E-Commerce-Plattformen fallen unter die neuen Rechtsvorschriften, d. h. sie müssen bspw. besser zugängliche Benutzeroberflächen für die Suche nach Produkten, den Abschluss von Einkäufen und die Verwaltung von Konten bereitstellen.

Um sicherzustellen, dass die Zugänglichkeit für jede:n Verbraucher:in gewährleistet werden kann, muss eine Online-Plattform mehrere Optionen für eine barrierefreie Navigation anbieten, z. B. die Integration von unterstützenden Technologien wie Bildschirmlesegeräte, die Bereitstellung von ausreichendem Farbkontrast und die Implementierung von Tastatur-Navigationsoptionen.

Der gesamte Transaktionsprozess, von der Produktauswahl bis zur Bezahlung und Bestellbestätigung, muss zudem barrierefrei gestaltet sein. Dabei muss sichergestellt werden, dass Formulare, Schaltflächen und andere interaktive Elemente auch von Menschen mit Beeinträchtigungen genutzt werden können. Für E-Commerce-Unternehmen, die mobile Anwendungen anbieten, kann dies eine wesentlich größere Herausforderung darstellen, da auch deren mobile Seite die Anforderungen an die Barrierefreiheit erfüllen muss. Applikationen müssen so gestaltet werden, dass sie für beeinträchtigte Nutzer:innen zugänglich sind, einschließlich solcher, die auf Support-Technologien oder Assistenten angewiesen sind.

Die Integration von barrierefreien Formularen sowie von Alternativen für komplexe Interaktionen wie CAPTCHA-Abfragen muss ebenfalls eingeführt werden. Netter Nebeneffekt: Dies wirkt sich auch positiv auf die Nutzbarkeit der Produkte aus. Die Verbesserung des Nutzer:innenerlebnisses bringt zudem weitere Vorteile mit sich, bspw. das die Strukturierung von Webseiten für eine barrierefreie Nutzung diese auch für die Crawler von Suchmaschinen verständlicher macht.

Barrierefreiheit als Chance für Wachstum

Die Infrastruktur vieler Unternehmen wird sich mit der Umsetzung der EAA ändern. Glücklicherweise sind viele bereits auf dem richtigen Weg und verbessern die Benutzerfreundlichkeit durch barrierefreie Funktionen.

Aber die Umsetzung der EAA-Richtlinien ist auch eine Chance, neue Marktteilnehmer:innen zu erschließen. Der Gedanke an einen leichteren Zugang sollte für uns alle zur Selbstverständlichkeit werden, denn es trägt nicht nur zur Verbesserung des eigenen Images bei, sondern rückt auch eine große Gruppe von Verbraucher:innen ins Bewusstsein, die auf dem Markt bisher oft unsichtbar war.

Immerhin ist etwa jeder sechste Mensch weltweit von einer Behinderung betroffen. Das bedeutet: Investitionen in Inklusion und Barrierefreiheit können sich spürbar auf das Geschäft auswirken.